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Baumpflege
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Praxiswissen: Wurzeln

Für uns besteht ein Baum hauptsächlich aus Stamm, Ästen, Blättern, Blüten und Früchten. Doch wie wäre es, wenn wir einen Baum als ein mehrheitlich unterirdisches Wesen betrachten würden? Schließlich ist die unterirdische Biomasse eines Baumes oftmals größer als seine oberirdische Biomasse. Hier erfährst Du alles über Bäume und ihre Wurzeln.
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Andreas H.

Bäume erschließen unterirdisch mit ihren Wurzeln oftmals ein größeres Volumen als über der Erdoberfläche. Durch ihre Wurzeln beziehen sie Wasser, das sie für Fotosynthese und Wachstum benötigen. Weiter beziehen sie aus dem Boden wichtige Nährstoffe. Und sie stabilisieren sich im Boden, damit sie hoch in den Himmel wachsen können. Studien belegen außerdem, dass Bäume zum größten Teil unterirdisch kommunizieren: Über Wurzelsysteme und Mykorrhiza-Netzwerke. 

Drei Grundwurzelsysteme

Um diese wichtigen Aufgaben erfüllen zu können, entwickeln Bäume differenzierte und angepasste Wurzelsysteme. Grundsätzlich können drei verschiedene Wurzelsysteme unterschieden werden: Pfahl-, Herz- oder Senkerwurzelsystem. Welches Wurzelsystem ein Baum entwickelt hängt zu einem Teil von seinem genetischen Programm ab, weiter auch von seinem Standort. Die Architektur des Wurzelsystem entscheidet dann darüber, aus welchen Bodenschichten die Pflanze Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Je nach Standort können sich die Wurzeln eines Baumes auch mit zunehmendem Alter grundlegend ändern. Für Gärtner:innen kann es hilfreich sein, die einzelnen Wurzelsysteme zu kennen, da wichtige Eigenschaften wie Stabilität, Flächenbedarf und Bewässerung vom Wurzelsystem abhängen. Schauen wir uns diese Wurzelsysteme nun genauer an:

Pfahlwurzelsystem (auch Tiefwurzler)

Der Baum bildet eine dominante, senkrecht nach unten wachsende Hauptwurzel, von der schwächere Seitenwurzeln abzweigen. Diese Hauptwurzel kann große Tiefen von fünf bis zehn Meter erreichen, weshalb dieses Wurzelsystem oft auch als Tiefwurzler bezeichnet wird. Bäume mit diesem Wurzelsystem bewohnen meist sandige, tiefgründige Böden mit tief liegendem Grundwasserspiegel. Durch die tiefe Pfahlwurzel kann der Baum Wasser und Nährstoffe aus tiefen Regionen aufnehmen und ist gegen Sturmwinde geschützt. Wird ein Baum älter, kann die Dominanz der Hauptwurzel abnehmen, wobei sich die Wurzeln zu einem Herzwurzelsystem entwickeln.
Folgende Bäume haben durch ihre genetische Veranlagung ein Pfahlwurzelsystem:

Herzwurzelsystem

Hier entwickelt der Baum mehrere starke Wurzeln, die sich gegen unten verzweigen, wodurch ein herzförmiges Wurzelsystem entsteht. Die meisten Laubbäume bilden dieses Wurzelsystem aus. Es bietet die größtmögliche Durchwurzelung des Bodens und erlaubt eine sichere Verankerung gegen Stürme. Bäume mit diesem Wurzelsystem passen das Wurzelwachstum an den lokalen Bedingungen an: Ist das Erdreich durchlässig und der Standort eher trocken, wachsen die Wurzeln in die Tiefe. Bei guter Wasserversorgung und festem Boden gehen sie eher in die Breite. Folgende Bäume haben ein Herzwurzelsystem:

Senkerwurzelsystem (auch Flachwurzler)

Der Baum bildet weit horizontal wachsende Hauptwurzeln, von denen nach unten gerichtete Starkwurzeln entspringen, sogenannte Senker. Die Bäume dieses Wurzelsystems bilden ihre Wurzeln relativ flach aus, dafür in einem grossen Radius, weshalb sie auch als Flachwurzler genannt werden. Dieser Wurzelsystemtyp bilden auch Bäume aus, die genetisch Pfahl- oder Herzwurzelsystem haben, aber auf einem verdichteten Standorten wachsen. Durch die flachen Wurzeln kann der Baum nämlich viel Regenwasser aufnehmen, ist allerdings auch anfällig bei starken Winden. Flachwurzler kannst Du gelegentlich auch mit bloßen Auge wahrnehmen, wenn Wurzeln an der Oberfläche sichtbar werden. Hier einige Beispiele für Bäume mit Senkerwurzelsystem:

  • Birken
  • Esche
  • Fichte 
  • Magnolien
  • Schwarzerle
  • Vogelbeere
  • Zitterpappel

Wurzelformen für die Praxis

Für die Pflanzung und Pflege von Bäumen kann es hilfreich sein, das jeweilige Wurzelsystem zu kennen. Besonders für die Pfahl- und Flachwurzler gibt es einiges zu beachten, da sie sich entweder auf Tiefe oder Fläche spezialisieren.

  • Setze Bäume mit Pfahlwurzeln in ausreichend tiefe Pflanzlöcher, da sie viel Raum nach unten benötigen.
  • Achte darauf, dass die lange Pfahlwurzel beim Einpflanzen nicht umknickt.
  • Sind Pfahlwurzler einmal gepflanzt, sollten sie nach einigen Jahren nicht mehr umgepflanzt werden.
  • Da Pfahlwurzler tief wurzeln, stehen sie sehr stabil. Sie stehen deshalb sicherer gegen Winde als Flachwurzler.
  • Da sie tief wurzeln, können Pfahlwurzler allerdings mit ihrem Wurzelwerk auch unterirdische Leitungen beschädigen.
  • Durch ihre tiefen Wurzeln können Pfahlwurzler auch unterirdische Wasservorräte erschliessen. Bei langer Trockenheit haben sie dadurch einen Vorteil gegenüber den Flachwurzlern.
  • Beachte hier: Bäume mit einem genetischen Programm für Pfahlwurzeln bilden an verdichteten Standorten (also besonders Städte) oftmals auch flache Wurzelsysteme aus.
  • Die Wurzeln von Flachwurzlern werden beim Einpflanzen um den Stamm herum ausgebreitet.
  • Während Pfahlwurzler ihren Wasserbedarf auch aus tieferen Bodenschichten decken können, sind Flachwurzler auf das versickernde Oberflächenwasser angewiesen. Flachwurzler müssen daher in heißen Sommern eher gegossen werden.
  • Vermeide es, die Erde rund um den Stammbereich von Flachwurzlern zu hacken, da Du dadurch das empfindliche Wurzelgeflecht schädigen könntest.
  • Flachwurzler bilden oftmals ein sehr breites Wurzelsystem aus. Beachte, dass dadurch vielleicht langfristig Mauern beschädigt werden können.
  • Flachwurzler sind anfälliger gegenüber starken Winden.

Wurzelbestandteile

Auch im Wurzelbereich findet ein ständiges Wachstum statt: Einige Wurzeln werden im Laufe der Jahre dicker und entwickeln sich von Grobwurzeln zu Starkwurzeln. Diese dicken Wurzeln stärken den Baum und verankern in stabil im Erdreich. Diese Wurzeln nehmen allerdings kein Wasser mehr auf.

Das meiste Wasser wird an den Spitzen der Feinwurzeln aufgenommen. Die Oberfläche dieser Feinwurzeln wird durch Wurzelhaare und Mykorrhiza vergrössert. Die Verteilung der Feinwurzeln nimmt mit der Bodentiefe exponentiell ab, da in den oberen Erdschichten die Verfügbarkeit von Wasser, Nährstoffen und Sauerstoff am höchsten ist.

Mykorrhiza

Wichtig in Bezug auf Wurzeln sind auch Pilzsysteme, mit denen der Baum eine Symbiose eingeht. Wenn Du Dich für das Thema Mykorrhiza interessierst, empfehlen wir Dir folgenden Artikel

Tipps von unserem Gärtnermeister:

  • Es ist sehr wichtig, den Boden und Wurzelbereich von Bäumen zu schützen. Hier kann man einem Baum das meiste Gute tun. Und oft heißt das, möglichst wenig zu machen. Wichtig ist, dass der Boden nicht zerstört wird: ausgetauscht, verdichtet, versiegelt. Besser: mulchen und in Ruhe lassen.
  • Für Jungbäume sind Air-Pots hilfreich. Wurzeln entwickeln sich so besser und verdrehen sich weniger.

Buchtipp:

  • Wurzelatlas mitteleuropäischer Waldbäume und Sträucher

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Andreas H.
Baumexperte und Dipl. Kulturanthropologe
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