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Baumpflege
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Praxiswissen: Einen Baum aus Saatgut ziehen

Bäume aus Samen zu ziehen kann sehr befriedigend – je nach Baum aber auch aufwändig sein. Denn es braucht viel Zeit und Geduld, bis aus dem Samen ein Baum wird. Aber: Einen eigenen Baum aus Samen zu ziehen, kann deshalb sehr lohnend sein. Du wirst zu diesem Baum eine besondere Beziehung haben. Er kann auch ein wichtiges Ereignis in Deinem Leben symbolisieren: einen Umzug, die Geburt eines Kindes, ein neuer Beruf, ein Neuanfang. Hier findest Du alle Informationen, damit Dir die Anzucht gelingt.
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Andreas H.

Vielleicht siehst Du irgendwo einen schönen Baum, der Dich fasziniert und den Du auch gerne im eigenen Garten oder in der Wohnung hättest? Oder Du findest auf einem Spaziergang Baumsamen am Boden und möchtest ein bisschen Wald bei Dir zuhause anbauen? Und jedes Samenkorn bringt eine Überraschung: Es wird ein neuer Baum mit einer einzigartigen DNA entstehen.

Aber es gibt auch Nachteile: Wenn Du Bäume anpflanzen möchtest, die auch Früchte liefern sollen, lohnt es sich in der Regel direkt einen Jungbaum zu kaufen. Bei Äpfeln beispielsweise ist die Chance aus einem Samen einen Baum zu bekommen, der so schöne Früchte wie die Mutterpflanze erzeugt, verschwindend klein. Möchtest Du einen Apfelbaum mit leckeren Früchten, lohnt es sich, einen veredelten Baum einer bekannten Sorte zu kaufen. Ausserdem: Wenn Du einen Jungbaum pflanzt, kannst Du Dir einige Jahre sparen, bis Du seine Früchte ernten kannst.

Wenn Du andere Gründe für einen Baum hast: Einen besonderen Bezug, eine einzigartige und lokale DNA, Neugierde – dann findet Du hier eine ausführliche Anleitung.

Einen Baum aus Saatgut ziehen

1. Schritt: Das passende Saatgut auswählen:

  • Wenn Du einen eigenen Baum ziehen möchtest, ist es wichtig, dass Du möglichst frisches Saatgut verwendest. Dieses kannst Du entweder selbst sammeln oder bei einem Händler kaufen. Wenn Du altes oder falsch aufbewahrtes Saatgut verwendest, verschlechtert sich die Keimquote. Wenn Du Saatgut kaufst, ist es hilfreich bei einem lokalen Händler zu beziehen. Diese Sorten sind schon an die Bedingungen Deiner Region angepasst.
  • Beachte, dass das Saatgut der erste Schritt ist und alle weiteren Resultate beeinflusst. Das passende Saatgut hat einen grossen Einfluss darauf, wie viel Freude Du später an Deinem Baum haben wirst. Hättest Du gerne noch ein wenig Inspiration für den passenden Baum? Dann kann Dir dieser Artikel helfen.
  • Wenn Du Saatgut aus Früchten nimmst, sollte vorher das Fruchtfleisch entfernt werden, da es keimungshemmende Stoffe enthalten kann. Wenn Du das Saatgut aus dem Fruchtfleisch herausgenommen hast, kannst Du es noch gründlich waschen.

2. Schritt: Das Saatgut stratifizieren:

  • Die Samen vieler Bäume durchlaufen eine Keimruhe und benötigen deshalb eine gewisse Zeit der Stratifizierung, bevor sie keimen können. Stratifizierung ist die Kältebehandlung von Samen, um deren Keimung anzuregen. Die Samen einiger Bäumen haben eine sogenannte Keimhemmung, die sie vor einer zu frühen Keimung schützt. Wenn beispielsweise die Samen eines Baumes im Spätsommer heranreifen, würden sie ohne Keimhemmung sofort keimen. Die Jungpflanzen hätten dann im Winter ernsthafte Probleme. Damit die Samen dann keimen, wenn die Überlebenschancen am größten sind – nämlich im Frühling – setzt die Keimhemmung ein.
    Wie weißt Du nun, ob Du stratifizieren sollst? Wenn Du eigenes Saatgut von Bäumen verwendest, die schon seit Generationen im deutschsprachigen Raum wachsen, lohnt sich Stratifizierung generell. Ergänzend kannst Du spezifisch zum Baum deiner Wünsche gezielt recherchieren. Manchmal ist Stratifizierung nämlich komplizierter und benötigt mehrere Wechsel zwischen Warm- und Kaltphasen (beispielsweise bei der Esche). Die gezielte Recherche mit Deinem Wunschbaum lohnt sich auch, weil verschiedene Pflanzenarten unterschiedliche Zeiten zur Stratifizierung benötigen. Wenn Du Saatgut kaufst, kannst Du Dich bezüglich Stratifizierung beim Hersteller informieren. Das beste Informationsmaterial zum Thema Stratifikation haben wir im Buch EINEN WALDGARTEN ERSCHAFFEN, von Martin Crawford gefunden, das wir hier sehr empfehlen (Link folgt).
  • Wenn Du stratifizierst, mische vier Teile feuchten (nicht nassen) Quarzsand (grober, gut durchlässiger Sand) mit einem Teil Saatgut und fülle diese Mischung in einen beschrifteten Plastikbeutel. Den Plastikbeutel kannst Du nun in den Kühlschrank legen oder im Winter draussen hinstellen. Wenn Du das Saatgut draußen stratifizieren möchtest, ist es wichtig, dass Du es vor Tieren schützt. Du kannst es beispielsweise in einen Tontopf stellen und mit einem Stein zudecken. Achte darauf, dass die Temperatur ein bis fünf Grad Celsius beträgt.
  • Wenn sich der Frühling nähert, kannst Du anfangen das Saatgut regelmäßig auf Keimung zu untersuchen. Manchmal keimen Samen schon unter kalten Bedingungen. Dann ist es wichtig, dass Du es schnell aussäst.

3. Schritt: das Saatgut anpflanzen

  • Sobald die Dauer der Stratifizierung vorüber ist, können die mit Sand gemischten Samen ausgesät werden.
  • Wir empfehlen, dass Du Deinen Baum in einem geschützten Raum anpflanzt, beispielsweise in Deiner Wohnung oder in einem Glashaus. Der Grund: Saatgut von Gehölzen hat oftmals eine lange Keimdauer. Wenn Du das Saatgut direkt in den Boden säst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es von Tieren aufgefressen oder von anderen Pflanzen überrannt wird. Außerdem wird die Keimung durch Wärme beschleunigt.
  • Je nach Deinen Plänen lohnt es sich, das Saatgut zuerst in Saatschalen – oder in Airpots – zu pflanzen oder direkt in einen grösseren Topf. Saatschalen lohnen sich bei einer größeren Menge, da sie weniger Platz benötigen. Wir empfehlen, die jungen Bäume später sowieso nochmal in größere Töpfe umzupflanzen, bis sie schliesslich in ihrem endgültigen Standort landen. Wir empfehlen, junge Bäume erst mit einer Größe von mindesten 40 – 50 Zentimeter nach draußen zu pflanzen. Der Vorteil von Airpots ist, dass sich die Wurzeln nicht verdrehen. Sie eignen sich hervorragend, damit der werdende Baum ein gute Wurzelwerk entwickeln kann. Hier ein Video (nur auf Englisch verfügbar): https://air-pot.com/garden/
  • Große Samen (wie beispielsweise Walnuss oder Kastanie) sollten direkt in tiefe Töpfe gesät werden, wo sie den Rest des Jahres verbleiben können. Diese Baumarten haben lange Pfahlwurzeln, die oft 10 bis 15 Zentimeter tief wachsen, bevor der Schoss zu sprießen beginnt.
  • Wir empfehlen, Erde aus dem Garten zu nehmen und 10 bis 30% der Menge davon mit Kompost zu vermischen. Beachte, dass der Kompost bereits reif sein sollte, also keine sichtbaren organischen Teile mehr enthält.
  • Hilfreich ist, wenn Du Mykorrhiza beifügst. Du kannst diese online spezifisch für Deine Baumart bestellen. Hier findest Du mehr Informationen dazu:
  • Wir empfehlen keinen Wachstumsdünger zu verwenden, da der werdende Baum dadurch weniger Wurzeln herausbildet.
  • Wir empfehlen auch, keine Blumenerde zu verwenden. Durch Blumenerde hat der Baum während er Anzuchtzeit andere Bedingungen als später an seinem Standort. Ein Baum – wie jede Pflanze – gewöhnt sich an sein Umfeld.
  • Solange die Samen in den Saatschalen noch nicht keimen (und das kann Wochen bis Monate dauern), empfehlen wir sie zuzudecken. Da das Saatgut noch kein Licht braucht, kannst Du irgendwas nehmen, um sie abzudecken: Beispielsweise eine zweie Saatschale, die Du kopfüber stellst. Der Grund: Wenn Du die Saatschale mit dem Kompost nicht abdeckst, kann eine Schicht aus Algen und Moos auf der Kompostoberfläche entstehen, die die Keimung behindern kann.
  • Wässere die Saat alle vier bis fünf Tage.
  • Schaue, dass die Pflanzen nicht zu viel Wasser bekommen.
  • Sobald die Sämlinge grösser werden, können sie umgetopft werden. Einige Baumarten schaffen im ersten Jahr 40 – 50 Zentimeter.
  • Wenn Du die Bäume nach draussen pflanzen möchtest, empfehlen wir Dir dazu den Frühling. Sollte Dein Baum im April noch nicht seine 40 Zentimeter haben, kann es sich lohnen, noch ein Jahr zu warten. Du kannst ihn aber in einen größeren Topf mit frischem Kompost umpflanzen. Du kannst ihn auch schon nach draußen pflanzen, allerdings können kleine Bäume schnell von anderen Pflanzen überwuchert oder von Schädlingen geschädigt werden.

4. Schritt: den Baum ins Freie pflanzen

Ist Dein Baum groß genug, um ins Freie gepflanzt zu werden? Glückwünsch! Hier findest Du eine fundierte Anleitung.

Tipps von unserem Gärtnermeister:

  • Ein Vorteil bei der Anzucht ist, dass Du dem Baum ideale Startvoraussetzungen geben kannst. Du kannst ihn dann nach ein oder zwei Jahren an seinen Standort verpflanzen, wo er sein Wurzelwerk ausbauen und ungestört vor sich her wachsen kann. Bäume aus Baumschulen haben dagegen öfters eine schwierigere Geschichte hinter sich, weil sie lange Zeit in Töpfen gehalten wurden und ein schlechtes Blatt-Wurzel Verhältnis ausgebildet haben. Wenn Du einen Baum selbst ziehst und dann jung einpflanzt, ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass dieser Baum langlebig ist.
  • Ich würde bei der Anzucht darauf am allermeisten achten: In Airpots vorziehen und dann direkt rauspflanzen.
  • Wenn Du Bäume zu lange in einem Topf lässt, bildet er kein breites Wurzelsystem heraus. Die Bäume können dann zwar wachsen, haben aber keine gute Standfestigkeit. Sie können dann bei einem Sturm umfallen.
  • Es ist am besten, die Erde aus dem Garten zu nehmen und guten Kompost zuzumischen. Außerdem lohnt es sich Mykorrhiza-Pilze dazuzugeben. Die kann man mittlerweile auch online kaufen.
  • Bäume sind keine Sumpfpflanzen und der Topf muss nicht nass sein. Es ist wichtig, dass sich die Wurzeln ausbreiten und das tun sie nur, wenn der Topf nicht dauerfeucht ist.
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Andreas H.
Baumexperte und Dipl. Kulturanthropologe
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